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Ich war beim Nackt-Yoga – Erfahrungsbericht

Meinen Entschluss zum Nackt-Yoga zu gehen, habe ich vorab nur mit einer Handvoll Leuten geteilt. Das hatte den einfachen Grund, dass ich diesem Ereignis möglichst neutral gegenübertreten wollte.

Reaktionen aus meinem Umfeld

Meine Mutter und ich haben erstmal laut losgelacht, nachdem ich die Verwirrung aufklärte, dass ich nicht beim Nacht- sondern beim NACKT-Yoga war. Herrlich! 

Ich komme aus einer kleinen Kreisstadt, in der Nackt-Yoga wohl in den nächsten Jahren keinen Einzug erhält – wobei, sag niemals nie. Und auch, wenn die Welt dort natürlich nicht stillsteht, ist doch vieles „wie immer“. Das muss nichts Schlechtes sein. Es ist einfach anders als in der Großstadt. Doch auch die Großstadt ist kein Garant für Offenheit und Akzeptanz. Auch hier stehen bei Weitem nicht alle Menschen dem Nackttrend aufgeschlossen gegenüber. Wie Danielle in unserem Interview bereits richtig sagte, ist es ok, wenn Menschen nichts mit Nackt-Yoga anfangen können oder sich damit nicht befassen wollen. Es ist eine besondere Form des Yoga und sicherlich nicht für jede*n geeignet.

Wieso Nackt-Yoga?

Danielle Barnett, eine befreundeten (Nackt-) Yogalehrerin hat mich auf ihre Nackt-Yoga Klasse aufmerksam gemacht. Bis ich mich jedoch getraut habe, eine ihrer Stunden zu besuchen, ist fast ein Jahr vergangen. Mein Interesse war zwar geweckt, aber ich habe mich schlichtweg nicht getraut. Verständlich. Sich nackt zu zeigen bedeutet sich verletzlich zeigen. So, wie man ist, pur, echt und ehrlich, ohne Schutzschild.

Seit meiner Yogalehrerausbildung, die ich 2017 anfing – siehe auch „Mein Weg“ – beschäftige ich mich zunehmend mit dem ganzheitlichen Aspekt des Yoga. Die körperliche Asana-Praxis ist nur ein kleiner Teil des Yoga. Viele weitere Ebenen sind Teil des yogischen Lebensstils. Zudem fasziniert mich die menschliche Psyche schon lange, genau wie die vielen verschieden Körpertherapieformen, die es gibt: Feldenkrais, Shiatsu, Osteopathie, u.v.m. Gerade Frauen leiden häufig unter einem verzerrten Körperbild, vergleichen sich ständig mit anderen Frauen und Menschen im Allgemeinen fehlt oftmals der Bezug zu ihrem eigenen Körper. Das allein würde etliche Beiträge füllen, doch weder ist es das Thema dieses Beitrags, noch bin ich Expertin auf diesem Gebiet. Ich spreche hier rein aus meinen Erfahrungen und den Erkenntnissen, zu denen ich durch Gespräche mit anderen Frauen gekommen bin.

Ich mag Danielles Anschauung, dass Nackt-Yoga Frauen unterstützen kann, sich mehr in ihrer Weiblichkeit zu fühlen und ein Gespür dafür zu bekommen, wie sich der Körper abseits der Kleidung bewegt und anfühlt. Sich zu zeigen, roh und echt und dabei die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit verschiedenster Frauen zu erleben. Jede einzigartig, mit eigener Form, eigenen Rundungen und trotzdem etwas Gemeinsames zu teilen.  

Der Tag der Wahrheit.

Der Duft nach Holz und Räucherstäbchen liegt in der Luft, als ich den Raum des Neuköllner Hinterhauses betrete. Zusammen mit einer anderen Teilnehmerin, die ich am Eingang getroffen habe, steige ich die Treppenstufen hinauf. Wir landen in einem schönen Vorraum, dessen Wände mit Holz verkleidet sind. Danielle, unsere Host für den Abend, wartet bereits hinter der nächsten Tür auf uns. Sie kennt uns beide, freut sich uns zu sehen und umarmt uns herzlich. Sie erkundigt sich, wie es uns geht. „Ehrlich, ich bin etwas aufgeregt.“, sage ich. Sie lächelt mich an. Es liegt Neugierde und positive Spannung in der Luft.

Der Raum: Groß, viel Holz und eine wohlige Atmosphäre

Der Raum ist groß und gemütlich. Er ist etwas dunkler, als ich es von anderen Yogaräumen gewohnt bin. Für unser Vorhaben erzeugt das jedoch eine angenehme, wohlige Atmosphäre. Das Hinterhaus wurde gerade erst frisch renoviert, nachdem es seit dem Mauerfall leer stand. Links neben der Tür liegt ein großer Teppich, darauf einige Matten und Kissen. Daneben führt eine Treppe hinauf auf eine zweite Ebene. Die Fläche, die wir nutzen werden, breitet sich länglich nach rechts aus. Holzbalken brechen den Raum auf. Am hinteren Ende steht eine Couch, dann kommt die Küche mit Vorzimmer und ein großes Badezimmer mit Badewanne und künstlerischem Spiegel. Einen Balkon gibt es auch.

Wir legen unsere Taschen ab und tauschen uns aus. Über dies und das. Eine dritte Teilnehmerin kommt dazu und dabei bleibt es. Für mich hat diese kleine Runde genau die richtige Größe. Ich merke schnell, dass ich die Einzige bin, für die das alles eine neue Erfahrung ist. Die anderen Teilnehmerinnen kennen solche „Nackt-Events“ bereits. Sie fühlen sich wohl mit sich, sind offen, freundlich und freuen sich auf die Stunde. Das nimmt mir direkt die Nervosität und lässt mich entspannen.

„Ihr könnt nun beginnen, eure Kleidung abzulegen.“

Unsere Matten legen wir in einem Halbkreis auf und Danielle breitet ihre Matte vor uns aus. Da wir nur zu dritt sind, hat jede von uns ausreichend Platz und einen kleinen persönlichen Raum für sich. Noch sind wir bekleidet, als wir uns auf unsere Matten begeben. Wir alle nehmen einen bequemen Sitz ein und Danielle begrüßt uns nochmal offiziell. Es geht los.

„Ihr könnt nun beginnen, eure Kleidung abzulegen. Schließt dabei gerne die Augen und nehmt euch Zeit, euch dabei zu erkunden. Spürt, wie sich die Berührung eurer Hände auf eurer Haut anfühlt.“ Etwa mit diesen Worten leitet Danielle den fast zeremoniell wirkenden Entkleidungsprozess ein. Das gibt dem Ganzen etwas Heiliges, etwas Magisches. Eine besondere Zeit mit sich selbst beginnt.

Nackt-Yoga würde ich als sinnliche Yoga-Erfahrung beschreiben. Als Zeit mit gleichgesinnten Frauen, die gemeinsam eine starke Energie erschaffen, einen geschützten Raum, um ihre Weiblichkeit zu spüren, zu entfalten und zu leben. In Gemeinschaft und doch ganz bei sich.

Chanten, OM und Flow

Nackt zu sein kommt mir, anders als gedacht, gar nicht komisch vor. Es fühlt sich normal an. Wir beginnen damit zu Chanten, besingen heilige Göttinnen und bitten um ihre Unterstützung. Der Raum ist erfüllt von unserm Gesang. Anschließend leiten wir die Stunde klassisch mit dem heiligen OM ein, dessen Klang das Sichtbare mit dem Unsichtbaren verbindet. OM wird als Essenz allen Seins beschrieben und vereint in sich alles, was ist. Die Asana Praxis ist wie die einer regulären Vinyasa-Stunde aufgebaut. Nach einem Warm-Up gehen wir über in verschiedene Stand- und Balance-Haltungen bevor es zurück auf den Boden ins Cool-Down und am Ende in ein schönes, langes Savasana übergeht. Alle Asanas sind erlaubt, es gibt keine Tabus. Du entscheidest, wo deine persönlichen Grenzen sind, was du möchtest und was nicht. 

Was ist nun der Unterschied zu einer regulären Yogaklasse?

Neben dem Offensichtlichen – dem Nacktsein – ist es vor allem die wunderbare Gemeinschaft und Energie mit und zwischen den Frauen. Es ist eine sehr sinnliche Erfahrung. Meine Sinne waren viel stärker im Einsatz als bei einer regulären Stunde. Die Ablenkung durch die Kleidung – jeder kennt dieses rumgezippel an Hose oder Oberteil, wenn etwas während der Praxis verrutscht – entfällt komplett. Stattdessen war meine Aufmerksamkeit sehr viel im Inneren. Ich habe die meiste Zeit mit geschlossenen Augen praktiziert und war hierdurch sehr bei mir. Ein weiterer Unterschied zu einer regulären Yoga-Stunde ist, dass dieser Raum eine geschützte Zeit nur für Frauen ist. 

Es geht um Akzeptanz, um (Selbst-)Liebe, um Körpergefühl und -verständnis, Unterstützung und einen respektvollen Umgang.

Zuhause habe ich bereits „nackt Yoga machen“ geübt.

Nach der Stunde nehmen wir uns alle noch etwas Zeit, um uns auszutauschen, wie diese Erfahrung für uns war und lernen uns noch etwas besser kennen. Als ich gestehe, dass ich vorab zuhause bereits „nackt Yoga machen“ geübt habe, um schon mal ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das so ist, lachen wir alle freudig zusammen. Du triffst beim Yoga auf alle möglichen Frauen, denn jede Frau, unabhängig ihrer Größe, Form, Farbe, sexuellen Orientierung, Herkunft oder ihres Glaubens, ist willkommen. Es geht um Akzeptanz, um (Selbst-)Liebe, Körpergefühl und -verständnis, Unterstützung und einen respektvollen Umgang mit sich selbst und einander.

Danielle fragt mich, wie die Stunde für mich war. Ich kann ehrlich sagen, es war eine ganz besondere Erfahrung. Es fühlte sich natürlich und schön an. Ich fühlte mich sicher, was sehr wichtig ist, wenn man sich so verletzlich zeigt. Die Energie im Raum war wunderschön und das bringt mich dazu, meinen ursprünglichen Gedanken neu zu denken. Was ich anfangs als sehr angenehm und beruhigend empfand – die kleine Größe der Runde – würde ich beim nächsten Mal gerne in größerer Runde erleben. Wenn wir bereits zu viert eine solch schöne Energie erzeugen konnten, wie ist das dann wohl mit 10 oder 15 oder gar 20 Frauen?

Mehr Infos zu Danielles Nackt-Yoga Stunden.

Möchtest du dich über Nackt-Yoga informieren oder es gerne mal selbst ausprobieren? Dann schau auf Danielles Website vorbei. Hier findest du einen Artikel, den sie Nackt-Yoga gewidmet hat und alle Infos zu den kommenden Klassen.

Hier findest du das Interview, welches ich mit Danielle zum Thema Nackt-Yoga geführt habe.

Ich freue mich, wenn du mir einen Kommentar hinterlässt und mir von deinen Gedanken zu Nackt-Yoga erzählst oder sende mir dein ganz persönliches Feedback über mein Feedback-Formular.

Alles Liebe & Namasté

Deine Ines

Fotos © Unsplash

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